Neue Platten: Sin Fang – "Flowers"

Sin Fang - Flowers (Morr Music)Sin Fang – „Flowers“ (Morr Music)

8,3

Als Sindri Már Sigfússon alias Sin Fang im Mai 2012 den letzten Einblick in sein Schaffen gab und die EP „Half Dreams“ veröffentlichte, stellte ich mir (sicherlich nicht als Erste) die Frage, wie von einer Insel mit einer Einwohnerzahl, die etwa vergleichbar mit der Bielefelds (oder Mannheims oder Berlin-Neuköllns) ist, so überdurchschnittlich viel gute Musik kommen kann.

Sin Fangs Morr-Music-Labelkolleginnen Pascal Pinon, die ebenfalls aus Island stammen und gerade ihr zweites Album herausgebracht haben, analysierten die Andersartigkeit der isländischen Indie-Pop-Szene so: „The indie community here is very local and lo-fi and it’s easy to make connections. That’s where the big difference is.“ Die räumlichen Ausmaße Islands sollten also nicht als einschränkender Faktor gesehen werden, sondern als Garant dafür, sich kennenzulernen, voneinander zu profitieren. Netzwerken heißt das heute. Doch das irgendwie Kalkulierend-Strategische, das bei diesem Wort mitschwingt, wird gleichermaßen von der isländischen Musikszene negiert.

Sie klingt locker und ehrlich. Leicht und natürlich. Als wäre die Musik einfach so entstanden, aus Spaß. Diesen Klang darf auch Sin Fangs neues Album „Flowers“ für sich beanspruchen. Es ist nach „Clangour“ (noch als Sin Fang Bous) und „Summer Echoes“ das dritte Solo-Album des Isländers, der außerdem der Band Seabear angehört. Die leider nur zehn Songs auf „Flowers“ weisen mehr instrumentale Dichte, zum Beispiel mehr durchgängige Synthflächen und sogar Streicher („Feel See“), auf, als von Sin Fang gewohnt, die den Hintergrund von Sindri Már Sigfússons gewohnt markantem Gesang und den vielen, von Klatschen begleiteten, chorhaften „Ohs“ und „Ahs“ bestimmen. Wir steigen in dieses Album mit der Hymne über Sindris Jugend „Young Boys“ ein, das sich sehr folkig um die großartige Songzeile „We were young boys / smoking in the woods / oh, I told you how“ dreht. Hier tritt die für Sin Fang typische, greifbare Geräuschlandschaft hervor, bevor eben ein solch synthiges Stück folgt: „What’s Wrong With Your Eyes“.

What’s Wrong With Your Eyes? Das fragt man sich übrigens auch im Video zu der Single „Look At The Light“, welches unten zu sehen ist. Das Stück gehört zu den nachdenklicheren auf „Flowers“, während Sin Fang auf diesem Album auch gewohnt tanzbare oder eher ermunternde, quirlige Stücke bereitstellt. Die PR beschrieb „Flowers“ als „most accessible album“ von Sin Fang, was auf Deutsch unvorteilhaft mit „poppigstes Album“ übersetzt wurde. In der Kritik zeigt sich dieses als zugänglich oder eben poppig beschriebene Phänomen oft in positiven Besprechungen, die betonen, wie romantisch (jemand ließ sich tatsächlich zu dem Stichwort „Kerzenschein“ hinreißen) und doch anders und erfrischend das alles ist.

„Flowers“ allerdings auf „Romantik“ oder auf „poppig“ zu reduzieren wäre unfair. Denn nicht nur, dass dieses Album, wie alle Veröffentlichungen Sin Fangs, Einflüsse vieler Musikrichtungen zeigt und mehr von einer elektronischen, ambient-synthigen Grundstimmung bestimmt ist, ist es weiterhin abwechslungsreich und unzugänglich in einem guten Maß.

Allerdings klingt „Flowers“ im ersten Moment tatsächlich glatter als „Clangour“ oder „Summer Echoes“ und erinnert in einigen Stücken etwas an die Produktionen von Seabear, was auch der in Teilen saubereren Mischung (unterstützt durch Alex Somers) zuzuschreiben ist. Das ist allerdings auch ein unverkennbares Merkmal dieses Albums: Man kann zwar gemeinsame Eigenschaften der Stücke ausmachen, aber fast keine generellen Aussagen treffen – erst recht nicht beim ersten Hören, da jedes Stück doch andere Assoziationen bringt und ein geräuschintensives, typisches Sin-Fang-Album mit einigen Perlen ist.

Label: Morr Music | Kaufen

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