Neue Platten: Kid Kopphausen – "I"

(Trocadero)(Trocadero)

7,8

Ende August scheint ein guter Zeitpunkt zu sein, ein neues Album deutschsprachiger Musik zu präsentieren. So erscheint in diesen Tagen nicht nur das langerwartete Debüt der lakonisch so mittel gelaunten, etwas umstrittenen Band Die Heiterkeit (Album der Woche bei ByteFM), sondern auch neuer Satirepop von Friedemann Weise, das neue Album von Max Herre und eine Live-CD von Philipp Poisel. Nicht alle diese Veröffentlichungen klingen so vielversprechend wie diese eine neue Band auf dem deutschsprachigen Musikmarkt.

Aber wie ist das eigentlich mit der deutschen, deutschsprachigen Musik? Regelmäßig wird sie tot geglaubt, dann wiederbelebt, wie es häufig Musikrichtungen mit schlechtem Ruf geht (man frage dazu nur den zigfach reinkarnierten deutschen HipHop). Doch gerade in den letzten Jahren gewinnt der deutsche Indie, vor allem der männlichen Singer-Songwriter-Interpreten melancholischen Pops, immer mehr Fans und Aufmerksamkeit. Dies ist weniger Schwärmen weiblicher Pubertierender wie Max Prosa, Philipp Poisel oder der Entwicklung von Clueso zu verdanken, sondern vielmehr anderen – namentlich Gisbert zu Knyphausen, Nils Koppruch, Niels Frevert, Francesco Wilking, ClickClickDecker oder Moritz Krämer. Alle sind auf jeden Fall ihre Fans wert und klingen – wenn auch nur grob – einander ähnlich. Auch wenn sie immer über einen Kamm geschoren werden, haben alle musikalisch eine Art Steckenpferd oder Besonderheit und unterscheiden sich voneinander. Ihre Live-Auftritte sind oft von Einflüssen verschiedener anderer Musikrichtungen, Emotionalität und spontanem Laut-werden geprägt, dazu gibt es oft ironische Texte zu gepflegtem Imperfektionismus und immer sichtbarem Spaß an der Sache.

Wenn sich nun zwei aus dieser Liste zusammentun, die schon wesentlich länger alleine Musik machen und ihre Erfahrungen bündeln, kann ja eigentlich nur Gutes dabei herauskommen. Eine weitere Veröffentlichung, die dieser Tage erscheint, nennt sich „I“ und kommt von Kid Kopphausen. Der Bandname ist eine Kontraktion aus den Namen von Gisbert zu Knyphausen und Nils Koppruch. Sie stellen klar, sie sind „eine Band. Kein Projekt, kein Experiment, sondern ein merkwürdiges Viech, ein rätselhafter Haufen, ein drängender Organismus, eine Gang aus Outlaws, die überall das Weiter suchen und ständig falsche Fährten legen.“ Soso. Country und Lonesome Rider also, oder zumindest ein retrohaftes Plattendekor und schneidige Anzüge zu Texten über das Alleinsein. Im Wald. Im Krieg. In der Großstadt. In der Kneipe.

Darüber singen Koppruch und zu Knyphausen in gleichen Teilen, unterstützen sich, kommen auch mal alleine aus sich heraus. Der Song „Hier bin ich“ ist als erster exponiert hingestellt und zur Selbstdefinition der Band geworden: Was sind die eigentlich? Den Titel als „Wer Bin Ich“ spielte Gisbert zu Knyphausen schon live ohne Koppruch. Nach diesem von zu Knyphausen geprägten Lied folgt eines von Koppruch, aber, obwohl es anfangs so anmutet, haben die beiden Künstler nicht einfach abwechselnd die Ehre, sondern arbeiten zusammen. Schließlich sind sie eine Band. Und dazu gehören auch mehr als die beiden Männer mit Gitarren. Alexander Jezdinsky percussioniert, Felix Weigt spielt Tasten und Bass, Marcus Schneider unterstützt an Gitarren sowie Mundharmonika und Autoharp für den ordentlichen Bluegrass-Sound.

Dazu wird der dominante Gesang der Protagonisten oft chorhaft unterstützt. Ein empfehlenswertes Ergebnis ist „Das Leichteste der Welt“ oder der Titel „Mörderballade“. Doch die wirkliche Mörderballade ist „Wenn ich dich gefunden hab“; sie hätte allerdings auch auf eine der Solo-Platten gepasst. Im letzten Stück „Nur ein Satz“ hört man plötzlich Hall und ungewohnte Effekte, Gisbert zu Knyphausens Gesang erscheint zunächst nur als Rezitation auf 4/4-Klopfen – ungewohnt, doch glaubhaft und gar nicht so technoid, wie das jetzt klingen mag, für Viele sicherlich dennoch gewöhnungsbedürftig. So haben einige herausstechende, großartige Songs ihre Entsprechung in der nicht immer glaubhaften Ausgelassenheit anderer Songs. Das Stück „Jeden Montag“ ist grenzwertig, der Chor wirkt regelrecht „sesamstraßenhaft“ (Jan Wigger). Denn nicht immer klappt die Cowboy-Nummer der beiden Musiker und man sucht die wirklich authentischen Stücke, die allerdings auch Koppruch und zu Knyphausen solo ausmachen.

So arbeiten die beiden an ihrem Anspruch, kein Projekt zu sein. Dazu haben sie sich ein Konzept ausgesucht, das funktioniert, aber einigen sicher auf die Dauer zu anstrengend sein könnte. Und tatsächlich klingen Koppruch und zu Knyphausen zusammen nicht wie alleine – auch dank ihrer Mitstreiter und des orchestralen, country-folkigen Sounds. Es gilt die alte Gleichung: Zwei Menschen, die schöne Stücke über andere Menschen, Leben und Glück schreiben können, können es zusammen meist auch ganz ordentlich. Und mal ehrlich: Wenn man Harz auf schwarz reimen kann, kann eigentlich nichts schief gehen.

Einen Blick auf die deutsche Musik dieser Tage wirft Diviam Hoffmann auch in der Sendung Ein Topf aus Gold am 02.09. ab 18 Uhr – hier auf ByteFM.

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