Neue Platten: Halma – „Dissolved Solids“

Von felixdabbert, 20. Dezember 2011

(Sunday Service)(Sunday Service)

7,6

Rasenhalma war ein geflügeltes Wort in meiner Kindheit, genutzt zur spöttischen Umschreibung unaufregender Aktivitäten. Wenn einem Fußball zu hart war, könnte man ja ebendieser Beschäftigung des Rasenhalmas nachgehen. Auch die Musik auf der neuen Platte der Hamburger Band Halma ist ruhig und unaufgeregt, es wäre aber ein Fehler, sich diese aufgrund etwaiger Peer Pressures unter den eigenen metal- oder technoaffinen Freunden entgehen zu lassen. „Dissolved Solids“ ist der Titel dieses Albums – und das Bild sich langsam auflösender Festkörper, das dem Rezensenten dabei in den Kopf kommt, erscheint passend. Musik, so zähflüssig und gleichzeitig schön wie der Honig, der mir langsam vom Löffel in die Milchtasse gleitet (auch wieder passend – Halma sind keine Bier-Band, sondern machen Platten für die Stunden im Winter, die man daheim mit heißer Milch mit Honig verbringt).

Wäre „Dissolved Solids“ ein Filmsoundtrack (übrigens ein Gebiet, auf dem Halma auch schon Erfahrungen gesammelt haben), würde der Protagonist zu „A Moon Without A Planet“ oder „Silver“ nachts durch verlassene Gassen gehen, auf der Suche, ständig mit dem Gefühl, verfolgt zu werden. „Hamlet Princess“, das Schlußstück des Albums, geschrieben als Tribut für die gestorbene Katze der Halma-Drummerin Fiona McKenzie, wird von einer Wah-Wah-Gitarre dominiert, die in einem anderem Kontext auch als funky interpretiert werden könnte und darf als Zitat an die ruhigeren Stücke von Neu! gelesen werden, nur dass man hier Klaus Dinger gegen einen Drumcomputer ausgetauscht hat.

Andreas Voß, Bassist von Halma, sagte kürzlich im ByteFM Magazin, dass die Band sich auf Einzelgriffe konzentriert, also bei Keyboard und Gitarre auf Akkorde verzichtet, um den einzelnen Tönen mehr Raum zu geben. Auf „Dissolved Solids“ stehen diese Töne frei im Raum, haben Platz, sich zu entfalten und nachzuwirken, perlen dabei gemächlich von Griffbrett und Tasten. Die individuellen Noten und die aus ihnen heraus entstehenden Melodien sind Halma wichtiger, als sich um konventionelle Strophe-Refrain-Strophe-Abfolgen zu kümmern. An einigen Stellen poppen dem Hörer Erinnerungen an andere Instrumentalbands aus dem Postrock-Umfeld wie die Schotten Mogwai in den Kopf. „Dissolved Solids“ ist eine Platte, die es einem erlaubt, in ihre dichte, stellenweise düster-packende Atmosphäre abzutauchen.

Also, wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet, mein Hals ist ein bisschen rau, deswegen werde ich jetzt eine warme Milch mit Honig genießen und ein wenig Halma hören.

Label: Sunday Service | Kaufen

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