Konzertbericht: Chilly Gonzales in Hamburg

Der Applaus brandet auf, als Chilly Gonzales die Bühne auf Kampnagel betritt. Aus der hintersten Ecke des Raumes ruft jemand „Te Quiero“. Eine Steilvorlage für Gonzales: „Did somebody say „Play the Piano?“ Schon haut der Grandseigneur des Pianos in die Tasten.

Begleitet wird er an diesem Abend von einem neunköpfigen Kammerorchester aus Musikern, die zum größten Teil aus Hamburg stammen. Gonzales genießt es offensichtlich in dieser Besetzung zu spielen – schon allein, weil er den „Diktator“ mimen kann, wie er mit einem breiten Grinsen verkündet. Schließlich bezahle er die Musiker und könne sie deswegen auch gnadenlos terrorisieren, anders als die “anstrengenden, nervenden Sänger und Musiker aus Kanada”, die ihn sonst auf Tour begleiteten.

Chilly Gonzales präsentiert sich, wie man es auf Konzerten von ihm gewohnt ist: Exzentrisch. Im seidenen Morgenmantel mit virtuosem Klavierspiel und einer wortgewaltigen Kaskade von Reimen begeistert er das Publikum an diesem Abend, das stürmisch applaudiert, johlt und ihn zum Dank sogar buchstäblich auf Händen trägt: Der Kanadier läuft in die oberen Ränge des Auditoriums und lässt sich von der Menge mehrere Male zurück nach vorne zur Bühne heben. Das ist Gonzales, wie er leibt und lebt: Auch ein klassisch angelegtes Konzert wird bei diesem Mann zum Rock-Event.

Performt werden an diesem Abend fast ausschließlich Stücke von seinem aktuellen Album „The Unspeakable Chilly Gonzales“, das weltweit das erste Rap-Orchester-Album vorstellt. Der Kanadier rappt, als ob er nie etwas anderes getan hätte. Ironisch-sarkastisch und pointiert verbindet er in seinen Reimen Medienkritik und Selbstreflektion über seine Rolle als Künstler. Gonzales Sympathien für den Rap kommen wohl nicht von ungefähr: Es gibt kaum ein Musikgenre in der modernen Popkultur, das den Künstler bzw. sein Alter Ego textlich stärker thematisiert.

Lediglich zum Ende des Konzertes spielt Gonzales mit seinem Kammerorchester, das er „Fuck Luck“ getauft hat, eine neuarrangierte und beeindruckende Version des Songs „Take Me To Broadway“. Ältere Songs wie z.B. „Shameless Eyes“ erklingen ansonsten nur kurz als musikalisches Zitat. Es scheint, als ob die Zeit gefehlt hat, um die älteren Songs des selbstbetitelten „Musical Genius“ mit dem Orchester zu proben. Auch wirken Gonzales und das Orchester mitunter nicht ganz eingespielt. Besonders deutlich wird dies an den Stellen, an denen die Musiker Live-Arrangements vom Maestro folgen sollen. Das klappt erst nach dem zweiten oder dritten Anlauf.

Aber auf „The Entertainist“ ist ja Verlass. Mit seinem Unterhaltungstalent kehrt Gonzales selbst diese Momente noch in etwas Amüsantes oder entzückt das Publikum, indem er eine Zugabe am Flügel in Jimi Hendrix-Pose gibt: Er setzt sich unter das Klavier mit geducktem Kopf und spielt quasi auf dem Rücken auf der Tastatur, die er nicht sehen kann.

So entlässt Gonzales das Publikum nach einem knapp zweistündigen Konzert, das gut war, aber nicht überwältigend.

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