Bis auf die Unterhose – Tricky live in Hamburg


Adrian Thaws findet sich ziemlich geil. Deshalb zieht er sich aus und präsentiert seinen drogenverzerrten Körper einem geifernden Publikum. Und er tut gut daran, denn viel mehr als seine physische Präsenz hat Tricky, so heißt er auf der Bühne, ebendort auch nicht zu bieten. Ein paar Mal ins Mikro zu röcheln ist noch keine Musik, zur Erzeugung harmonischer Klänge engagiert er sowohl für Liveauftritte als auch fürs Studio Gastmusiker und -sänger. Tricky kann stolz sein auf seine Leistung, die Besten der Besten zusammengebracht und produziert zu haben. Die Liste ist lang und auf Wikipedia nachzulesen. Aber nicht diese Zusammenarbeiten, sondern vor allem sich selbst stellt er in den Vordergrund. Speziell auf der Bühne würde er ohne egomanische Selbstinszenierung zum bloßen Statisten seiner Band, denn musikalisch funktioniert ein Tricky-Konzert auch ohne Tricky. Vielleicht um nicht in den Hintergrund katapultiert zu werden, behandelt er seine Mitmusiker auf der Bühne als bloße Staffage und stellt diese nicht mal dem Publikum vor.

Aber nur um ihn zu sehen haben sich die Leute ja an diesem Abend in den Hamburger Docks zusammengefunden. Und ihr halbnackter Messias lässt seine Schäfchen zu sich kommen. „Gleich zweimal!“, wie man einen Gläubigen nach dem Konzert ungläubig staunen hört. Wie bei fast allen seiner Konzerte holt Tricky beim obligatorischen Motörhead-Cover „The Ace Of Spades“ die vordersten Reihen zu sich auf die Bühne. Wow! Auf tanzender Schweißfühlung mit einem Star!

Dasselbe Schauspiel, nur bis ins Unerträgliche gesteigert dann zum Ende der Show. Aus der Zeile „I Want Jesus Come“ wird mehr und mehr ein „Come“ und mit weit offenen Armen signalisiert der Gottgleiche seine Empfängnisbereitschaft. Und wieder strömt das Publikum zu ihm hinauf. Dann kommt er sogar herab, um sich unters gemeine Volk zu mischen, Hände zu schütteln, sich fotografieren zu lassen. Wo in der Menge er sich gerade befindet ist an den in die Luft gestreckten Handykameras zu beobachten.

Zur Performance während der Show gehören folgende Features: mit dem Rücken zum Publikum stehen um die tollen Tattoos zu zeigen, einen Spliff nach dem anderen zu bauen und rauchen, zur Musik abzugehen, als würde er sich einen runterholen, mit dem Mikro in der Hand zu rocken, ohne einen Ton zu singen, Herzklopfen durch Stoßen des Mikrophons gegen seine Brustkorb zu simulieren.

Einmal fängt er an, während eines Songs (den ja nicht er, sondern die Gastsängerin sang) mit dem Keyboarder zu quatschen, bekommt einen Lachanfall, hüpft herum wie ein Kind und stürmt in Richtung Backstage, wobei er doch glatt die Gitarristin umschmeißt. Er bleibt für eine Weile verschwunden, Musiker und Sängerin machen weiter. Als er wiederkommt, fehlt die Unterhose. Die Shorts hatten zuvor noch weiß strahlend unter seiner tief sitzenden Jeanshose hervorgelugt.

Das gibt Adrian Thaws dann doch noch etwas menschlich Warmes. Tricky ist entmystifiziert.

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