Neue Platten: Four Tet – "Rounds"

Von mariastabel, 9. Mai 2013

Four Tet - Rounds (Domino)Four Tet – „Rounds“ (Domino)

8,8

Kieran Hebden aka Four Tet ist Poesie für die Ohren. Über Four Tet zu schreiben, seine Musik gar definieren zu wollen, heißt, sie in Ketten zu legen, sie in der Tinte der Worte ertrinken zu lassen. Es ist dennoch einen Versuch wert, sich dem musikalischen Genie mit Worten zu nähern.

Im Jahre 2003 veröffentlichte der Künstler sein drittes und episches Album „Rounds“, mit welchem ihm der Durchbruch gelang. Die Presse überschlug sich mit Lobpreisungen und führte so zu dem Schlüsselmoment in Hebdens junger Musikkarriere. Zehn Jahre später veröffentlicht er nun selbiges Album erneut auf Domino. Als zusätzliches Bonbon gibt es eine CD mit einer Aufnahme einer Show in Kopenhagen um 2003.

„Rounds“ ist, wie der Titel schon preisgibt, eine runde Sache. Hebden erschafft durch Zusammenfügen vieler Einzelteile ein Gesamtkunstwerk. Wir lauschen einem rhythmischen Fluß, der uns behutsam und ohne Eile in den Bann zieht. Ohne Hektik bewegen wir uns durch teils fließende, mal stockende Töne. Dabei konstruiert Four Tet eine Komposition, in der wir auf melodische Klänge, aber auch ächzende, krächzende, knisternde und knatternde Geräusche treffen. Es entsteht ein Sound, der beim ersten Hören vielleicht abstößt, zugleich aber auf wundersame Weise stimuliert und fesselt. Wie das Leben ist Four Tet verwirrend und manchmal, in einem anderen Moment, erkennen wir uns selbst in seiner Musik und alles ergibt einen Sinn. Er vereint, was scheinbar nicht zu vereinen ist, und schafft eine Harmonie. „Rounds“ ist ein Album zum Träumen, zum Sich-in-der-Zeit-verlieren, aber auch zum Erwachen und Sich-Wiederfinden.

Die Musik entdeckte Kieran Hebden bereits in seiner Zeit an der Elliott School in London für sich. Das verwundert nicht, gingen doch von dieser Schule andere große Talente wie Burial und The xx ab. Zu seiner Schulzeit war Hebden noch Mitglied der Band Fridge, die er mit zwei seiner Klassenkameraden gründete. Hebden war 15 Jahre alt, als er mit Fridge seinen ersten Vertrag unterzeichnete.

Später hat sich Hebden in seiner Musikkarriere als Four Tet neu erfunden. Wer ihn kennt, weiß, dass jede einzelne Platte von neuen Einflüssen bestimmt ist. Stillstand ist für den jungen Künstler ein Fremdwort. Wirkten auf dem ersten Album „Dialogue“ (1999) noch wesentliche Einflüssen des Free Jazz gepaart mit vielen HipHop-Drum-Lines auf ihn ein, so war das zweite Album „Pause“ (2001) inspiriert von American R ’n’ B, Garage und 2-Step. Heute tourt Four Tet häufig als DJ durch Clubs und spielt dabei tanzbare Sounds. Zuletzt erschien sein Album „0181“ (2013), eine Kompilation bisher nicht veröffentlichter Songs aus den Jahren 1997 bis 2001. Es scheint, als wolle der Künstler zurück zu seinen Wurzeln, seinen ersten Erfolgen. Es ist ein „Zurück“, das seine Fans begrüßen. Four Tets Stärke liegt in der den Klängen mitschwingenden Emotionalität, in dem Spiel mit den unerwarteten Geräuschen und der stimmungsgeladenen Atmosphäre.

Kieran Hebdens treuestes Instrument ist sein Computer. Einzig mithilfe seines DAT-Rekorders und der Hi-Fi-Anlage nahm er viele seiner Alben in seiner Wohnung in London auf. Das Ergebnis sind experimentelle Sounds, mit welchen die Hörer auf eine Reise in ihr Innerstes geschickt werden. Four Tets Klang ist einzigartig. Er folgt keinem Muster und doch erkennt man stets seinen eigenen Sound. Dieser Künstler ist ein Freigeist, dessen Musik sich zwischen Intimität und endloser Ferne bewegt.

Der Spannungsbogen bei „Rounds“ beginnt sogleich mit den ersten Tönen. Wer zunächst nur ein Rauschen hört, bemerkt spätestens beim zweiten Hinhören eine weitere Komponente: einen schnellen Herzschlag. In einem Interview verriet der Künstler, dass der Beginn von „Hands“ tatsächlich aus der Aufnahme eines Herzschlags besteht, und zwar dem eines Hundes. Hebden scheut nicht davor uns schon zu Beginn mit einer Komplexität zu konfrontieren, bei der eine Vielzahl von Geräuschen und Klängen auf uns einprasselt. Man tastet sich heran, Ton für Ton. Versuchte man zunächst, die einzelnen Komponenten zu erfassen, geht es später vielmehr um das Gesamte, einer irren Klangwelt ohne Grenzen. Das Centrepiece bildet „Unspoken“. Drums, ein Tamburin und bizarre Geräusche werden von einem Piano mit herzzerreißender Melodie begleitet. Es sind neuneinhalb Minuten der Glückseligkeit und des Schmerzes, ein Stück, das Paradoxien zu vereinen weiß. Das Album endet mit dem Lied „Slow Jam“. Der Titel hält, was er verspricht und lässt uns ruhig werden. Die Harfenklänge geben uns Zeit, aus den Tiefen des Albums aufzutauchen. Mit dem letzten Flimmern und Piepen erwachen wir. Und sogleich stellt sich das Bedürfnis ein, den „Play“-Button erneut zu drücken und wieder in die fremde und doch so vertraute Welt von Four Tet einzutauchen.

„Rounds“ ist zeitlos. Selbst zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung haben die sanften und melodischen Klänge dieselbe Wirkung. Eingefleischte Four-Tet-Fans sind vermutlich schon im Besitz dieses großartigen Albums. Weil es aber über diesen langen Zeitraum in Vergessenheit geraten sein könnte, ist eine Wiederveröffentlichung genau eines, und zwar allerhöchste Zeit. Für all diejenigen, die erst kürzlich auf ihn aufmerksam wurden, ist es die Möglichkeit auch Four Tets ruhigere Sounds für sich zu entdecken. Für die alten Hasen ist es nicht nur ein netter, sondern auch nötiger Reminder.

Label: Domino | Kaufen

Das könnte Dich auch interessieren:

  • Jamie xx – „In Colour“ (Album der Woche)
    Dance-Musik macht Jamie xx glücklich. Mit seinem Debütalbum "In Colour" gibt der 26-Jährige ein Stück von diesem Glück weiter. "In Colour" ist ein in vielen Farben schillerndes House-Dubstep-Amalgam. Soundschnipsel aus Jungle-Dokus und hochkarätige Gäste treffen auf pluckernde Arpeggios, dröhnende Synths und lässige Beats....
  • Cover des Albums Yes Lawd! von NxWorries
    Knxwledge bastelt lässige Samples à la Madlib, Anderson .Paak rappt locker und mit viel Soul darüber. Ein paar uneilige Beats dazu – fertig ist „Yes Lawd!“, das Debüt der HipHop-Kollaboration mit dem Namen NxWorries....
  • Klez.e – „Desintegration“ (Album der Woche)
    Mit "Desintegration" schauen Klez.e zurück ins Jahr 1989. Das Album ist eine Hommage an ihre Jugend und an damals wie heute vergötterte Wave-Bands wie The Cure, die Schwermut so schön in Musik verpackten....


Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.