Neue Platten: Holy Other – "Held"

Von renetauschke, 31. August 2012

Tri AngleTri Angle

8,7

Das Label Tri Angle ist vor allem für Witch-House-Produktionen à la How To Dress Well oder oOoOO bekannt. Holy Other gehört seit letztem Jahr zu jener Familie, jedoch scheint es zu leicht, ihn in dieselbe Schublade zu pressen.

Schon durch seine Selbstdarstellung hebt er sich von seinen Labelkollegen ab: Seine Liveauftritte bestreitet er komplett in schwarz, so auch mit einem schwarzen Tuch über den Kopf. Im echten Leben heißt er David, sein Nachname ist unbekannt. Erst seit 2010 produziert er Musik. Schon ein Jahr darauf erschien seine Debüt-EP „With U“ und war mit den entschleunigt-mysteriösen Elektro-Klängen ein musikalisches Gebet, welches man wirken lassen musste und sollte.

Aus dem Gebet wird nun Ekstase, aus Ekstase Vision, und so ergibt sich die Vision eines übernatürlichen Tempels, gebaut aus Klangkonstrukten und -fragmenten, auf einem pulsierenden Fundament. Nichts ist statisch. Dynamik ist der Stoff, der alles zusammenhält. Mal verdichten sich die Elemente und rauben dir die Luft. Lassen sie aber Raum, wird er erfüllt mit wabernden Klangteppichen, flirrenden Synthies und manipulierten Stimmen, die wie Geister den Raum durchfluten und wieder verhallen. Dabei spielt das Tempo die besondere Rolle – mit der Langsamkeit experimentierend, dehnt der Produzent aus Manchester einzelne Momente und nutzt diese Phasen, um dem Track eine neue Spur hinzuzufügen, die sich daraufhin völlig losgelöst und eigenständig den Weg bahnt. Die Musik ist reduktionistisch – dabei immer innovativ und vor allem sinnlich.

Es schieben sich Spuren auseinander, finden zusammen, werden gestreckt und verlieren sich im Hall des Raums. Der Sound ist unheimlich und doch angenehm, gleich einem Schwebezustand. Pop oder R ’n‘ B, Goth, Post-Dubstep, Glitch, Ambient, (Witch-)House oder Elektro. Was sollen diese Schubladen? Kein Genre ist diesem Werk wirklich angemessen, wenn nicht Holy Other selbst schon ein Wort dafür gefunden hätte – Schlafzimmerpop. Besondere Bedeutung erhält der Begriff, wenn der Hörer erfährt, dass die Tracks vor allem in der Dunkelheit und im Besonderen in seinem Bett entstehen. So werden dem Hörer Emotionen vermittelt – skizzenhaft, verschwommen-schattig – in einer Reflexion, die schwer nachvollziehbar, manipuliert und abstrakt und doch so natürlich ist. Ein Spiel mit Ästhetik, Mystik und Reduktionismus. Ein Traum – das große Ganze ist schwer zu verstehen, Worte verschwimmen im Soundgeflecht, hier ein „what“, dort ein „you“. Realität und Vision verschmelzen zu einer neuen Unbekannten, die dennoch bekannt scheint. Abstrakte Harmonie und mystische Vertrautheit. Eine entschleunigte Welt, eine visionäre Ästhetik, die sich bisher nur in der Dunkelheit entfalten kann.

Label: Tri Angle | Kaufen

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