Neue Platten: French Films – „Imaginary Future“

Von kathy

(Gaea Records)

6,0

Bei „French Films“ denkt man eher an Truffaut, Rohmer oder Chabrol. Diese Assoziationen sind meist alles andere als aufregend. So gilt der französische Film doch eher als etwas zäh, sehr langsam erzählt und die Themenauswahl beschränkt sich häufig auf Familendramen. Auch beim Gedanken an Finnland verhält es sich ähnlich. Diese sind ebenfalls recht stereotyp. So kommt einem zuerst die Dunkelheit in den Sinn, Wodka, Metal und viele Umlaute.

Einen guten Grund, all diese Vorurteile einfach mal über den Haufen zu werfen, liefert ein Quintett aus Espoo bzw. Järvenpää (Umlaute!) in Finnland, das sich French Films nennt und so luftig-schönen Surf-Indie-Pop macht, dass The Drums sich warm anziehen sollten. Denn Johannes Leppänen (Gitarre, Gesang), Joni Kähkönen (Gitarre, Gesang), Mikael Jurmu (Bass, Gesang), Santtu Vainio (Keyboard) und Antii Inkiläinen (Schlagzeug), die sich 2010 gründeten, vereinen beste Beach-Boys-Attitüde mit den Soundwänden von The Jesus And Mary Chain. Ein Gespräch über französische Filme soll die Jungs dazu bewogen haben, sich so zu nennen. Im letzten September veröffentlichen sie ihre EP „Golden Sea“. Nun erscheint ihr Album „Imaginary Future“. Das Cover des Albums zeigt eine schöne 80er-Jahre-Reise-Romantik, der Bandname schwebt neblig über einem Alpensee.

Das Album startet flott mit „This Dead Town“. Man hört The Cure und besagte The Jesus And Mary Chain und entgegen der flotten Gitarren besingen die Jungs, wie der Songtitel schon erahnen lässt, eine verlassene, tote Stadt: „I don’t know if we live or drown / Or where to belong in this dead town“, singen sie da oder „And all those things I’ve never seen / While working pointless jobs to waste”. Als wollten sie sich ihre Tristesse schöner singen. Vielleicht die beste Art, mit der finnischen Dunkelheit umzugehen: einfach gegen sie anzusingen. Es wird nicht gespart an Surf-Pop-”Oh-Ohs“, die auch gleich Song Nummer zwei, das knapp zwei Minuten lange „You Don’t Know“ starten. „Felt like strangled in my own bed“, singt Leppänen zu Beginn von „Golden Sea“. Richtig glücklich scheinen die Jungs – wenn man sich Bilder von ihnen ansieht, dann darf man sie getrost Jungs nennen – nicht zu sein. Aber gerade bei „Golden Sea“ singen sie am Ende so überzeugend „It was only a dream“ und mit schönstem Mitspring-Sound, dass die Fröhlichkeit der Musik den Text fast ausblenden lässt. „Pretty In Decadence“ offenbart The Smiths als ein weiteres Stil-Vorbild. Man könnte sich wahrlich schlechtere Vorbilder heraussuchen. In „Living Fortress“ richten sie sich an den nahenden Winter: „Oh winter / There’s places that you can’t find / I wish that I was able to reach one / And fear you no more”. Das klingt schon fast rührend und süß.

Das ganze Album ist für sich schmissig und unbeschwert, was dazu führt, dass French Films den Herbst-Blues ziemlich gut vertreiben. Fröhliche Melodien und Indie-Pop-Hooklines jagen dabei hinter der taktgebenden Snare Drum hinterher. Leider erschöpft es sich in der Gesamtlänge ein wenig. So klingt doch einiges schon sehr ähnlich.

Die besten Songs sind die kürzesten; hier liegt eindeutig French Films Stärke. Der Enthusiasmus der Jungs ist schon bestechend. Außerdem kann man nun endlich beim Gedanken an französische Filme auch mal beherzt beim Tanz die Faust in die Luft strecken und einen kräftigen Schluck Bier nehmen. Man muss ja nicht immer betreten dreinschauen, während man an seinem Rotwein nippt.

French Films – You Don’t Know from Tuomas Järvelä on Vimeo.

Label: Gaea Records | Kaufen

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