Matthew Dear – "Black City"

VÖ: 13.07.2010
Web: http://www.myspace.com/matthewdear
Label: Ghostly International

Es gibt sie, diese Konsens-Alben, auf die sich Menschen mit zum Teil völlig unterschiedlichen Musik-Interessen plötzlich einigen können. Im Jahr 2007 gab es mindestens zwei dieser Konsens-Alben – zum einen das selbstbetitelte Debüt von Little Dragon, zum anderen „Asa Breed“ von Matthew Dear, das auf dem von ihm mitbegründeten Label Ghostly International erschien. Die Konsensfähigkeit von „Asa Breed“ ist vielleicht damit zu erklären, dass dieses Album gegenüber den eher techno- oder ambientartigen Vorgängern „Leave Luck To Heaven“ (2003) und „Backstroke“ (2004) ein ordentlicher Schritt in Richtung Pop war.

Diesen Weg geht der inzwischen 31-jährige Dear, der einzelne musikalische Arbeiten auch unter den Pseudonymen False, Audion und Jabberjaw veröffentlicht, nun mit „Black City“ konsequent weiter. Für sein neues Album hat er sich zwar drei Jahre Zeit gelassen, aber der Zeitpunkt des Erscheinens geht schon in Ordnung. War nämlich das Jahr 2007 ein ausgesprochen gutes und vielseitiges Musikjahr, zu dem Matthew Dear einen entscheidenden Beitrag leistete, entwickelt sich 2010 ähnlich spannend und aufregend, und es ist sicherlich kein Zufall, dass daran wiederum einige Bands und Künstler beteiligt sind, die schon das Jahr 2007 wesentlich mitgeprägt haben.

Auch wenn der in Texas geborene Matthew Dear als Teenager in Michigan seine musikalische Sozialisation in Form von Detroit-Techno erlebt hat, macht er mit einem unglaublichen Eröffnungs-Trio auf seinem neuen Album schnell klar, dass sein Pop auf verschiedenen Ebenen funktioniert. Bereits die ersten Töne auf „Black City“ nehmen die Ohren gefangen. Stimmungsvoll und zurückhaltend liefert Dear mit „Honey“ und dessen unterschwelliger Düsternis mal eben neben „It Is Not Meant To Be“ von Tame Impala den bislang coolsten Album-Opener des Jahres, wenn auch natürlich musikalisch völlig anders geartet. Der von einem (mit-)schleppenden Rhythmus getragene und mit einer herrlichen Schrägheit ausgestattete Funk von „I Can’t Feel“ erhöht das Tempo, welches schließlich im Titelstück „Little People (Black City)“ kulminiert. Matthew Dear sorgt mit geschickten Wendungen und den damit einhergehenden leichten Stimmungswechseln innerhalb ein und desselben Songs für eine Art Dreiteilung, sodass trotz ziemlich gerader Disco-Beats über die Dauer von neun Minuten keine Langeweile aufkommt. Der dritte und beste Teil hätte dabei mit seinen sich im Hintergrund befindlichen Tribal-Drums und den markanten Gitarrenklängen durchaus Stoff für einen eigenen Song geboten. Wer bei der Sechseinhalb-Minuten-Marke und dem Übergang zum dritten Teil des Songs keine Gänsehaut bekommt, ist selber schuld. Jedenfalls wird „Little People (Black City)“ in den nächsten Wochen gemeinsam mit „Even Judas Gave Jesus A Kiss“ von !!! um die Tanzflächen dieser Welt buhlen.

Trotz eines ziemlich klaren, im Wesentlichen elektronisch geprägten Konzepts unterwirft sich Matthew Dear keinen musikalischen Dogmen. Dies führt innerhalb des Konzepts zu einer großen Vielfalt, kann aber auch schon mal bedeuten, dass ein Schuss daneben geht – was natürlich auch immer eine Frage des persönlichen Geschmacks ist. Vielleicht ist das ein wenig eierig wirkende „Slowdance“ unmittelbar nach dem furiosen Dreigestirn aus „Honey“, „I Can’t Feel“ und „Little People (Black City)“ einfach nur etwas ungünstig platziert, weshalb der Eindruck einer kleinen Delle entstehen mag. Ansonsten gibt es aber nix zu meckern. Matthew Dears markante tiefe Stimme fungiert als verbindendes Element der Songs, egal ob diese funky („Soil To Seed“), Beat-lastig („You Put A Smell On Me“), geisterhaft („More Surgery“) oder gar beinahe lieblich sind, wie es bei „Gem“ der Fall ist, das völlig ohne Beats auskommt, dafür aber mit einem wunderbaren Piano den würdigen Abschluss für dieses Album bildet.

Ob „Black City“ wie sein Vorgänger „Asa Breed“ auch das Zeug zum Konsens-Album hat, wird sich erst am Ende dieses Musik-Jahres erweisen. Die Chancen dafür stehen jedenfalls nicht schlecht.

Das ByteFM Album der Woche – mit freundlicher Unterstützung von Panasonic.

Jeden Tag spielen wir im ByteFM Magazin zwischen 15 und 17 Uhr einen Song aus unserem Album der Woche. Die ausführliche Hörprobe folgt am Freitag ab 13 Uhr in Neuland – der Sendung mit den neuen Platten. Neuland wird am Sonntag zwischen 16 und 18 Uhr wiederholt.

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Diskussionen

0 Comments
  1. posted by
    Georg
    Aug 12, 2010 Reply

    Die Vocals klingen manchmal ein bißchen nach TV On The Radio. Bei „Gem“ ganz besonders. Erinnert mich sehr an TV On The Radios „Family Tree“.

  2. posted by
    Hermann
    Aug 13, 2010 Reply

    Tja, Georg, jetzt wo Du es sagst… TV On The Radio sind mir beim Hören von Matthew Dear bislang überhaupt noch nicht in den Sinn gekommen, aber das ist durchaus eine interessante Referenz.

  3. posted by
    16.08.: “Is pop music sexualising our children?” : ByteFM Magazin
    Aug 16, 2010 Reply

    […] City” heißt das aktuelle Album von Matthew Dear (unser Album der letzten Woche). Popmatters bemüht sich Dears zurückgezogene progressive Variante von ehrlicher […]

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