Hermanos Gutiérrez – „Sonido Cósmico“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 17. Juni 2024

Cover des Albums „Sonido Cósmico“ von Hermanos Gutiérrez, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Hermanos Gutiérrez – „Sonido Cósmico“ (Easy Eye Sound)

„Wie klingt das Weltall?“ Auf diese eigentlich sehr poetische Frage gibt die Wissenschaft eine sehr ernüchternde Antwort: „Gar nicht.“ Schall, den der Mensch wahrnehmen könnte, kann sich im Kosmos nicht ausbreiten, da schlichtweg zu wenig Materie vorhanden ist. Diese Tatsache hat aber Musiker*innen nicht davon abgehalten, sich an der Beantwortung dieser Frage zu versuchen. Kein Wunder: Was gibt es Inspirierendes als die unvorstellbare Weite des Alls? Als dieses unendliche Nichts, durch das wir alle treiben? Das uns beängstigt, fasziniert und verbindet?

Auch die Brüder Alejandro und Estevan Gutiérrez sind von dieser Ewigkeit begeistert. Die neue LP ihres gemeinsamen Projekts Hermanos Gutiérrez heißt „Sonido Cósmico“. Das ist Spanisch für „kosmischer Klang“. Ein treffender Titel für die Musik, die die beiden schweizerisch-ecuadorianischen Gitarristen auf ihrem sechsten Album spielen: Instrumentalmusik, die irgendwie durch allerlei Referenzen an lateinamerikanische Musik, Italo-Western-Soundtracks oder Psychedelic-Rock an unseren Planeten gebunden scheint, aber eigentlich wirkt, als wäre sie schon immer da gewesen. Es sind wahrlich raum- und zeitlose Gitarrenklänge.

Wobei das Adjektiv „kosmisch“ bei „Sonido Cósmico“ zwei Bedeutungen hat. Neben der spacigen Klangwelt geht es den Brüdern auch um die nahezu telepathische Verbindung, die die Beiden nun schon lange miteinander teilen. Hermanos Gutiérrez entstanden 2015 aus einer spontanen Jam-Session. Mittlerweile ist das Duo ein weltweit gefeiertes Instrumental-Projekt. Nach ersten Erfolgen mit ihren noch stark von ihren lateinamerikanischen Wurzeln beeinflussten ersten vier LPs gelang ihnen 2022 mit dem von Black-Keys-Hälfte Dan Auerbach produzierten „El Bueno y El Malo“ der internationale Durchbruch.

In kosmischer Einheit

Bei der Tour zu dieser Platte, in einer Kirche in der Wüste New Mexicos, brachen beide Musiker auf der Bühne in Tränen aus. Nicht aus Trauer, sondern in einem geteilten Moment der Euphorie, in wortloser Synchronisation an einem heiligen Ort. Beide wurden sich auf einem Schlag an diesem Ort ihrer Verbindung bewusst. Und waren heillos überwältigt. „Es fühlte sich an, als wären wir ein Medium“, erinnert sich Estevan heute. „Sonido Cósmico“ ist ihr Tribut an ihre musikalische Einheit.

Der wieder produzierende Auerbach ermutigte die Brüder, keine Angst vor Wiederholungen zu haben. Daher gibt es nach dem sehr von westlichem Psych-Rock geprägten „El Bueno y El Malo“ hier wieder vermehrt lateinamerikanische Rhythmen zu hören, die für Abwechslung sorgen. Wie zum Beispiel in „Cumbia Lunar“, einer verhallten Mischung aus Space-Rock und der titelgebenden Cumbia. Der von den jüngeren „Dune“-Filmadaptionen beeinflusste Titeltrack ist eine Space-Oper mit Ennio-Morricone-esken Tremolo-Gitarren und epochalen Streicher-Arrangements. „Sonido Cósmico“ ist gefüllt mit wortlosen Dialogen, menschlichen Dramen und unbeantworteten Fragen.

Der berührendste Song ertönt direkt zu Beginn, ein zartes Duett namens „Lgrimas Negras“. Estevan startet mit verletzlichen, bewusst ein bisschen stolpernden Arpeggios. Sein Bruder antwortet mit seiner Lap-Steel-Gitarre – und zwar mit aufsteigenden, erhebenden Melodien. Unter diesem musikalischen Trostgespräch deutet eine tiefe Orgel das nicht hörbare, aber vorstellbare ewige Brummen des Universums an. Hermanos Gutiérrez brauchen keine Sprache, um große Geschichten zu erzählen – egal, ob über das ungreifbare Weltall oder das direkte Miteinander.

Veröffentlichung: 14. Juni 2024
Label: Easy Eye Sound

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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