Aaron Frazer – „Into The Blue“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 1. Juli 2024

Cover des Albums „Into The Blue“ von Aaron Frazer, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Aaron Frazer – „Into The Blue“ (Dead Oceans)

Mit Erwartungen brechen möchte Aaron Frazer auf seinem zweiten Album „Into The Blue“. Mit jenen Erwartungen der Hörer*innen nämlich, welche der US-amerikanische Sänger und Musiker im Jahr 2021 selbst verantwortet hat. Damals veröffentlichte der in Baltimore geborene Künstler sein erstes Soloalbum „Introducing…“. Zuvor hatte er sich einen Namen als Mitglied der R&B-Band Durand Jones & The Indications gemacht. Dort spielt er seit 2012 Schlagzeug und Keyboards und teilt sich mit dem Bandleader das Mikrofon. Als Dan Auerbach (The Black Keys) Frazers Falsett hörte, bot er ihm an, sein Soloalbum zu produzieren. Nun ist Auerbach eher für eine altmodische Klangästhetik bekannt und auch Durand Jones & The Indications klingen, verkürzt gesagt, allerhöchstens nach den späten 1970ern.

Insofern erfüllte Frazer auf „Introducing…“ ziemlich genau die Erwartungen, die man mit diesem Hintergrundwissen haben konnte. Was keine negative Sache ist. Zum einen ist es nur logisch, auf einem Solodebüt die bereits bekannten Stärken des Acts herauszuarbeiten. Zum anderen waren die Songs auf der LP extrem gut geschrieben und umgesetzt. Und wenn ein Album Spaß macht, macht es eben Spaß. Jedoch ist eine reine Retro-Ästhetik an bestimmte, zur Genüge bekannte Konventionen gebunden. Mit solcherlei Auflagen wollte sich Frazer nicht länger selbst im Weg stehen. Mit einer lockereren Herangehensweise wurde „Into The Blue“ für Frazer „das klarste Porträt dessen, was ich als Künstler bin“.

Musikalische Selbstfindung

Trotz wonnevoll gebrochener Erwartungen wartet Frazer zunächst nicht mit offensichtlichen radikalen Brüchen auf. So bewegt sich sein gesamtes zweites Album im Soul-Kontinuum und ist noch immer zu großen Teilen in den 60er- und frühen 70er-Jahren verwurzelt. Im schmachtenden Opener „Thinking Of You“ mit seinem Harmoniegesang und Streicherarrangement etwa verneigt Frazer sich vor dem New Yorker 70er-Soul-Trio Black Ivory. Doch im Detail zeigt sich der Teufel: Der Song klingt zwar wie live eingespielt, erinnert dabei aber dennoch an HipHop-Produktionen. Den Abstand zwischen den Genres empfindet Frazer ohnehin als willkürlich. „Und der Abstand zwischen Carole King und Westside Gunn zum Beispiel ist viel kürzer, als die Leute denken“, fährt der Musiker fort.

Noch stärker scheint der HipHop-Einfluss im Beat des Titeltracks durch. Ein wichtiger Schritt in Frazers künstlerischer Selbstfindung. Obwohl er nämlich das Schlagzeugspiel anhand klassischer Rocksongs erlernte, beeinflusste vor allem Rap-Musik seine Spielweise: „Ich trommelte zu Jay-Zs ‚Reasonable Doubt‘ und Nas‘ ‚Illmatic‘, bis ich alle Breaks auf diesen Platten kannte.“ Dafür, dass das Schlagzeug auch im HipHop-Kontext zum Live-Instrument taugt, öffneten The Roots Frazers Augen. Der HipHop-Twist ist jedoch nur die auffälligste unter den Neuerungen des Albums. So verleihen etwa dem Titelstück Anleihen an Komponisten wie David Axelrod und Ennio Morricone eine epische, soundtrackhafte Ebene.

Keine Füllware

Ohne diesen zwei Songs dauernden sanften Übergang zwischen den Alben wäre „Fly Away“ ein harscher Bruch vom Debüt. Doch so eingebettet, ist die 90s-R&B-Hommage „Fly Away“ kein diskografischer Fremdkörper mehr. Dabei hat das Stück einen vielleicht noch höheren New-Jack-Swing-Faktor als der gleichnamige Song von Hi-Five, dessen Hookline Frazer sampelt. Gleichermaßen nach 60s-Soul-Stompern und Nullerjahre-Soul-Revival klingt das ekstatische „Payback“, das mit seinem Einzähler zudem „Hey Ya!“ von Outkast beschwört. Was die Floorshaker-Qualitäten angeht, macht „Payback“ nur der kurz Albumende versteckte Nu-Disco-Banger „Easy To Love“ Konkurrenz.

Zu den Highlights des Albums gehört auch der satt produzierte 70s-Yacht-Rock-Midtempo-Groover „Time Will Tell“. Doch auch die Songs zwischen diesen Höhepunkten sind keine Füllware, sondern essenziell. Erst sie nämlich verleihen dem Longplayer den Mehrwert eines Albums, das über eine bloße Songsammlung hinausgeht. So ist unser Album der Woche für Frazer auch ein hochemotionales Breakup-Album. So emotional gar, dass er davon ausgeht, viele Tränen bei künftigen Konzerten zu vergießen. Auf musikalischer Ebene spielen sich zwischen den Hits außerdem einige der spannendsten Experimente zwischen epischem, verlangsamtem Smooth Soul („I Don’t Wanna Stay“), Latin R&B („Dime“), Psych- und Gospel-Soul ab. Und: Stets geht die Rechnung auf!

Veröffentlichung: 28. Juni 2024
Label: Dead Oceans

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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