Adrian Corker – „Raise“ (Village Green)
7,0
„Raise“, das aktuelle Album von Adrian Corker, ist angesiedelt zwischen elektronischem Ambient-Sound, ECM-Jazz und dem, was in letzter Zeit unter dem Label „neo-classical“ verhandelt wird. Bei dieser Art von Crossover, der von Hauschkas Prepared-Piano-Pop über Nils Frahm bis hin zu Komponisten wie Ólafur Arnalds reicht, geht die Story – etwas überspitzt – meistens so: junger, cooler Indietyp, der sowohl mit Eric Satie als auch mit Techno und Aphex Twin groß geworden ist und der neben einer klassischen Instrumentalausbildung auch einige Studiotricks draufhat, macht melancholische Salonmusik. Also irgendwas zwischen Minimal Music à la Steve Reich und Chillout-Lounge.
Adrian Corker passt da ganz gut ins Bild. Anfang der Nullerjahre zeigten die Instrumentalalben, die er als Teil des Duos Corker/Conboy veröffentlichte, noch starken Post-Rock- und Electronica-Einschlag. Zuletzt verdiente der Brite sich seine Brötchen aber vor allem als Komponist von Soundtracks für Dokumentarfilme („Way Of The Morris“) und Fernsehproduktionen wie den BBC-Mehrteiler „The Village“. Kein Wunder also, dass „Raise“ gut als Soundtrack für einen imaginären Film durchgehen würde. Impressionistische Klangflächen, minimalistische Klaviermelodien, repetitive Streicherarrangements, Field Recordings und elektronische Sounds schichtet Corker zu atmosphärisch dichten Kompositionen.
Dass mit den neun Stücken auf „Raise“ dabei mehr herauskommt als gut gemachte Dienstleistungsmusik, liegt vor allem an Corkers musikalischer Bandbreite, aber auch an den versierten Gastmusikern wie u. a. Mitgliedern des Elysian-Streichquartetts oder Musikern des Londoner Portico Quartets, die einen Teil der Stücke in gemeinsamen Improvisations-Sessions entwickelten. So besitzt ein Track wie „Circle Song“ trotz seines ruhigen, meditativen Charakters eine rhythmische Differenziertheit, die weit über übliche Ambient-Standards hinausgeht. Corker raut seine ansonsten sehr warmen und eingängigen Stücke ganz subtil mit weißem Rauschen, Störgeräuschen und Feldaufnahmen auf und schafft so immer wieder ein Gegengewicht zu den elegischen, weit ausladenden Melodien. „Raise“ gewinnt am Ende vor allem durch diese kaum wahrnehmbaren, eher dunklen Passagen an Reiz und Tiefe.
Die besten Momente finden sich daher etwas im Verborgenen, bei Stücken wie „Unfold“, das als Tapeloop-Experiment vor allem aus ausgewaschenen, schwer wahrnehmbaren Resten anderer Aufnahmen besteht, oder in der unterschwellig spürbaren Spannung von Stücken wie „Charged“, bei dem der ganze Raum, in dem die Musik aufgenommen wurde, mit zu pulsieren scheint. Zwischen dem hellen Flirren des Pianos und dem dunklen, perkussiv eingesetzten Kontrabass beim Titelstücks „Raise Part 2“ liegt das Besondere dieses Albums in dem spannenden Dämmerzustand, den Corker hier in all seinem Detailreichtum hervorzubringen versteht.
Label: Village Green | Kaufen