Joe Henry im Interview

Joe HenryJoe Henry

Mit freundlicher Unterstützung von NAD.

Joe Henry ist Produzent, Songwriter und Musiker. Und: ein Mann mit ungewöhnlichen Begabungen. Schafft er es doch, so ungleiche Musikerinnen wie Bonnie Raitt und Madonna zu verbinden: beide haben Songs von Joe Henry, der seit 27 Jahren mit der Schwester von Madonna verheiratet ist, aufgenommen.

Egal ob er mit Bonnie Raitt, Solomon Burke, Meshell Ndegeocello oder dem Jazz-Musiker Mose Allison zusammenarbeitet: die Produktionen von Joe Henry zeichnen sich immer durch eine große Lebendigkeit und Natürlichkeit aus. Das gilt auch für seine eigenen Platten. Vor zwei Wochen erschien mit „Invisible Hour“ das 14. Studioalbum von Joe Henry. Oliver Stangl hat ihn aus diesem Anlass zum Interview getroffen.

„Beim Schreiben von Songs geht es mir darum, Dinge zu entdecken. Oft ist es eine Textzeile oder ein Bild, das mir sagt: ‚Geh einfach mal eine Weile dort entlang!‘. Erst währenddessen wird mir dann klar, worüber ich eigentlich schreibe. Der große Filmemacher Fellini hat einmal gesagt: man erfindet eine Figur, und schaut dann, was sie einem zu erzählen hat, wohin sie einen führt. Man muss nur irgendwo anfangen: mit der Beschreibung eines Raums, oder mit dem Fetzen einer Unterhaltung. Letztlich ist es so einfach. Oder vielleicht auch so mysteriös. Ganz ehrlich – es wird mir selbst immer schleierhafter, woher diese Geschichten eigentlich kommen.“

Im Zentrum bei Produktionen und eigenen Aufnahmen steht für Joe Henry immer der Song. Woher der kommt, oder auch wohin er geht – das ist nichts, was kontrollierbar ist. Im Gegenteil: Beim Schreiben und Aufnehmen geht es darum loszulassen, sagt Joe Henry. Dinge einfach passieren und sich dabei überraschen zu lassen.

„Wenn ich versuchen würde, genau zu kontrollieren, was ich schreibe, dann würde dabei nichts herauskommen, was mich selbst zufrieden macht. Das wäre tödlich für den gesamten Prozess. Je mehr ich mich von Vorstellungen befreie, desto begeisterter kann ich dann über das sein, was tatsächlich passiert. Wenn man eine vorgefertigte Idee hat und starr an ihr festhält, wird man bloß frustriert. Das Pferd will nicht durch diese Tür? Na und. Lass es einfach laufen. Es findet schon seinen eigenen Weg – und wir gehen einfach hinterher.“

„Invisible Hour“, das neue Album von Joe Henry, besticht durch seine Natürlichkeit und Lebendigkeit. „Ambient Sound mit primitiven Mitteln“ nennt Joe Henry das. Also: erzeugt mit akustischen Instrumenten. Schlagzeug, Bass, Akustikgitarre und diverse andere Saiteninstrumente – immer wieder dekoriert mit Bläserarrangements, gespielt von seinem Sohn Levon. Als Musiker und auch als Produzent erschafft Joe Henry einen Sound, der zu atmen scheint, der nahezu plastisch wirkt und bei dem man glaubt, man könne ihn greifen – so als stünde man selbst mitten drin.

„95% aller Aufnahmen, die ich mache, sind im Studio genau so passiert, wie man sie dann auf Platte hört: Momentaufnahmen. Ich liebe es, wenn man die Atmosphäre des Raums fühlen kann. Wenn man sich vor dem inneren Auge einen Ort vorstellt. Ein Ereignis, das nicht konstruiert ist, sondern das tatsächlich genau so stattgefunden hat. Und selbst, wenn das manchmal eine Illusion ist – wenn es sich für den Hörer trotzdem wie ein echter Moment anfühlt, in den sie so auch zufällig hätten hineinstolpern können, dann hat man es geschafft, finde ich.“

Nicht nur Raum und Aufnahmetechnik sind ausschlaggebend für diesen lebendigen und unmittelbaren Sound – auch die beteiligten Charaktere. Darum lautet das Credo, das Joe Henry von seinem Mentor, dem Produzenten T. Bone Burnett, gelernt hat, so:

„Sag niemals einem Musiker, was er spielen soll. Sobald man auch nur eine Idee anbietet, macht das die eigene Vorstellungskraft zunichte. Darum sage ich, wenn mich tatsächlich mal ein Musiker fragt: spiel mir, was DU hörst. Zu meiner Idee können wir immer noch zurück. Aber niemals zu dem, was dir unmittelbar und spontan beim ersten Hören einfällt.. Darum sage ich: Hier ist der Song, wie setzen wir ihn ins richtige Licht. Und die Leute wissen es immer.“

Seit 1986 veröffentlicht Joe Henry bereits eigene Alben – einen Namen gemacht hat er sich in den letzten Jahren aber vor allem als Produzent von Künstlern wie u. a. Solomon Burke, Billy Bragg, Bonnie Raitt, und: Allen Toussaint, dem legendären Musiker und Produzenten aus New Orleans. Eine ganz besondere Begegnung für Joe Henry:

„Er ist eine mystische Figur, jemand der nicht nur komplett von dieser Welt zu sein scheint. Wegen seiner Geschichte und Bedeutung als Produzent hatte ich wirklich Angst bei unserer ersten Zusammenarbeit. Aber Allen bestand darauf, dass ich die Rolle des Produzenten einnehme, und niemand sonst im Raum. Er tat das auf eine stille, und doch sehr bestimmte Art und Weise. Einmal spielte er zum Beispiel nachträglich einen Klavierpart ein um den ich ihn gebeten hatte. Er ist fertig, das Band stoppt, ich frage ihn, ob er sich die Aufnahme anhören möchte. Und Allen sagt nur: ‚Ich weiß was gerade passiert ist. Was hältst du davon?‘. Diesen Moment werde ich nie vergessen.“

Fragt man Joe Henry, mit wem er gerne noch als Produzent arbeiten würde, dann kommt als erstes – wie aus der Pistole geschossen: mit dem Jazz-Musiker Sonny Rollins. Dann: Bill Withers – den habe er schon mehrmals gefragt – aber leider will Bill Withers kein Album mehr machen. Und dann – zum Schluss – kommt doch noch eine kleine Überraschung.

„Ich würde wirklich gern Prince produzieren. Er ist aber selbst Produzent, er hat keinen Grund, mich für die Sache zu engagieren. Nichtsdestotrotz, wenn du mich fragst – ich denke, ich könnte eine großartige Platte mit Prince machen.“

Ein Audiobeitrag über Joe Henry von Oliver Stangl ist heute im ByteFM Magazin am Morgen und im ByteFM Magazin am Nachmittag zu hören.

Mit freundlicher Unterstützung von NAD.

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