Christopher Bissonnette – „Essays In Idleness“ (Kranky)
8,0
Seit den ersten Tagen der Ambient Music, also seit Brian Enos stilprägenden Veröffentlichungen, steht das Genre für simple, einlullende Hintergrundmusik. Dabei war schon Enos Ausgangsidee eigentlich eine andere, wie er in vielen Interview betonte. Durchgedrungen ist er damit aber leider nicht. Selbst auf Wikipedia heißt es über sein Album „Ambient 1: Music For Airports“, die Musik hätte den Anspruch, „sowohl für Durchreisende als auch für Wartende [auf Flughäfen] angenehm und interessant zu sein, selbst wenn die Wartezeit so lange ist, dass das Album mehrere Male hintereinander gespielt wird.“ Eno ging es vielmehr darum, sich gegen das übliche Muzak-Gedudel abzugrenzen, dass Reisenden suggerieren sollte, alles sei zu jedem Zeitpunkt in Ordnung. Das war es nämlich auch damals nicht.
Wie ein Stigma blieb Ambient mit dieser Assoziation verbunden. Daran änderten auch die sich überlagernden, dröhnenden, an- und abschwellenden Sounds der Großmeister dieses Genres (Tim Hecker, Ben Frost, Fennesz, Phill Niblock, Stars Of The Lid usw.) nichts. Dabei ist ihre Musik durchaus geeignet, die Vögel, deren Gezwitscher auf so vielen Ambient-Platten zu hören ist, auf ewig aus den Wäldern zu vertreiben. Leider bleiben aber auch heute noch viel zu viele Veröffentlichungen mit viel zu vielen einfachen Effekten und viel zu vielen Naturgeräuschen immer nur an der Oberfläche.
Diese hört man auch auf den Platten des Kanadiers Christopher Bissonnette glücklicherweise nicht. Im Gegenteil. Die Klänge seines selbst gebauten analogen Synthesizers, mit denen er seine dritte Kranky-Veröffentlichung produziert hat, könnten davon nicht weiter entfernt sein. Die acht Stücke auf „Essays In Idleness“ klingen eher wie nachts unter einem Umspannwerk oder in einer Lagerhalle aufgenommen und sie verlangen es wie die Musik der oben genannten Künstler, laut angehört zu werden. Denn nur so bekommt man überhaupt mit, was in den tiefen Tiefen schlummert, wie sich die langsamen Veränderungen entwickeln und wie fein ziseliert diese Klangwelt ist. Dann lässt sich verfolgen, welch wunderbares Dröhnen, welch vielfältige Frequenzen und welch großartige Vibrationen hier zu hören sind. Dabei versteht es Bissonnette, die Sounds so klingen zu lassen, als würde er überhaupt nicht eingreifen, als würde er das Pulsierende einfach weiter schwingen lassen, das Schwebende einfach hängen lassen und die hochtönenden Impulse einfach piepen lassen. Die Platte lässt sich als experimentelle Versuchsanordnung genauso gut hören wie als musikalische Annäherung an den reinen Klang in einem verzerrten, großen, hallenden Raum.
Wer unter Ambient nach „Essays In Idleness“ immer noch „Musik als Möbel“ (Satie) versteht, hält wahrscheinlich auch Glasscherben für eine gemütliche Unterlage.
Label: Kranky | Kaufen