Neue Platten: Monsterheart – „W“

Monsterheart - W (Seayou)Monsterheart – „W“ (Seayou)

6,3

Nach diesem Album muss ich mich ernsthaft fragen: Bin ich ein heimlicher Goth? Seit Jahren war ich scheinbar auf falschen Pfaden unterwegs, stets im Irrglauben an den höchsten Gott der Götter: Gevatter Indie. Nun soll plötzlich alles anders sein? Was war geschehen?

Der Versuch einer Rekapitulation:

Es kribbelte in den Ohren, zappelte in den Fingern, kurz: Es war Zeit für eine neue Rezension. Ohne Vorahnung, ohne Vorab-Info sprang mir „W“ von Monsterheart in den Kopf. Ein, auf den ersten Blick, harmloses, poppig anmutendes Album, das mir durchaus gefiel. Es war verspielt, es war manchmal ein wenig zu viel von allem, aber es war insgesamt ein nettes Indie-Album mit dem Hang zu Glam und Elektro – dachte ich. Denn ich wusste eigentlich nur so viel von Monsterheart: Die österreichische Musikerin Anna Attar, dem ein oder anderen vielleicht noch bekannt als Frontfrau von Go Die Big City, steckt hinter dieser kling-klang-süßen Collage aus Einzelstücken. Alles Weitere ergab sich aus dem Hörvergnügen.

Da waren also elf Songs, die mit Triangel, Xylofon und abschweifenden Synthie-Einlagen getränkt sind. Da war Anna Attar mit ihrer extrem wandelbaren Stimme. Da war ein Album, das insgesamt stimmig war. „W“ bestach durch eingeschränkte Vielfalt – immer im Kausalzusammenhang mit der Idee des großen Ganzen: dem mädchenhaften Indie-Elektro-Pop. Wenige Ausbrüche wie „Waves“, der letzte Song auf der Platte, zeigten die Versuche von Wandelbarkeit, die sich aber insgesamt im kuscheligen „W“-Kontext wohlfühlten. Songs wie die Vorabsingle „Bunnies“ bestachen durch textliche Raffinesse und versteckten Biss, immer wieder einsetzende Hand-Claps brachten das Indie-Herz zum Hüpfen, der Klang von Annas Stimme ließ hin und wieder ein kurzes Aufhören entstehen. „W“ war ein Album das sich ganz wunderbar ins CD-Regal einordnen würde, ohne großes Aufsehen, ohne Anspruch auf die erste Reihe. Ein Indie-Album durch und durch.

Und dann las ich ihn doch, den Pressetext vom Label. Seitdem bin ich verwirrt. Glam und Pop seien die fröhliche Seite Montsterhearts, Goth die düstere Strömung ihres Temperaments. Goth? So, so. Seit diesen Zeilen suche ich nach versteckten Goth-Hinweisen in meinem Kleiderschrank, ich schau mir meine Musiksammlung sehr genau an und versuche, dunkle Strömungen in mir zu erfühlen. Aber es will sich einfach nichts finden lassen – ein bisschen so wie bei Monsterheart.

Label: Seayou | Kaufen

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