Dean Blunt – "The Redeemer"

Dean Blunt - The RedeemerVÖ: 03. Mai 2013
Web: Dean Blunt bei Hipposintanks.net
Label: Hippos In Tanks / World Music

Dean Blunt schafft es nun schon seit einiger Zeit, erfolgreich seine Identität im Dunklen zu halten. Informationen zu seiner Person findet man kaum, geschweige denn seinen realen Namen. Der Name seines Projekts mit Inga Copeland, Hype Williams, ist gleichzeitig der Name eines erfolgreichen Videoregisseurs, was auch dort die Informationssuche nicht unerheblich erschwert. In einem Interview mit der britischen Zeitung The Guardian monierte Blunt die schiere Faktenflut des (Über-)Informationszeitalters. Es scheint so, als wollte er mit seinem Streben nach künstlerischer Anonymität dieser Kultur des Wissens den Spiegel vorhalten.

Ähnlich schwer greifbar wie Blunts Identität ist sein musikalisches Schaffen auf seinem neuen Soloalbum „The Redeemer“. Es ist ein Album mit unheimlich vielen Facetten – so viel steht fest. Jede weiter Einordnung gestaltet sich da schon deutlich schwieriger. Die Platte eröffnet mit einem cineastischen Streicherintro, das im Folgenden zusammen mit Blunts erschöpfter Stimme und einem stampfenden Beat mit „The Pedigree“ in einem der konventionelleren Tracks des Albums aufgeht. Denn konventionell ist ansonsten wenig an „The Redeemer“. Songs und Songminiaturen wechseln sich ab mit Interludes und Soundschnipseln. All das illustriert eine Beziehung, die kurz davor ist, in die Brüche zu gehen. Immer wieder durchziehen auf einen Anrufbeantworter gesprochene Mitteilungen das Album und verleihen dem Thema eine scheinbare Authentizität.

Diese zunächst gefühlte Ehrlichkeit steht jedoch im Kontrast zur hochgradig artifiziellen Inszenierung. Auf die in „Demon“ von einer roboterhaften Frauenstimme gestellte Frage „so what did you do?“ liefert Blunt die Antwort nicht etwa in Worten, sondern in einer Samplecollage aus zerbrechendem Glas und Autohupen. „What you did was wrong… wrong“ antwortet die Stimme emotionslos. „Flaxen“ mischen sich Harfen und Streicher mit gesampletem klassischen Gesang und lassen das Stück wie den Soundtrack zu einer modernen Theaterinszenierung von „Alice im Wunderland“ klingen. Blunt greift tief in die Instrumentenkiste und kombiniert Trompete, Gitarren, Samples, Synths, klassischen Gesang und die immer wieder auftretenden Streicher mit Samples. Selbst die vielbelächelte Blockflöte schafft es in einen Track. In „Papi“ liefert ein ausgedehntes Sample aus Pink Floyds „Echoes“ den Teppich für Dean Blunts croonenden Gesang.

Es ist ein in vielerlei Hinsicht faszinierendes Gebilde, das Dean Blunt mit „The Redeemer“ abliefert. Zum einen ist da die schiere Vielförmigkeit des musikalischen Ausdrucks: Kaum ein Track auf dem Album lässt als „Song“ im Sinne einer gewöhnlichen Struktur bezeichnen. Für sich genommen wirken die Titel wie Fetzen aus einer Collage, als ganzes Album funktionieren sie trotz ihrer Heterogenität hervorragend. Zum anderen steht diesem die vordergründig brutale Offenheit und scheinbar autobiographische Herkunft des Inhalts gegenüber. Doch im Kontext von Blunts medialem Versteckspiel und dem bewussten Zurückhalten von Informationen zur Musik und seiner Person scheint diese Offenheit einen doppelten Boden zu haben. Nie kann man sich vollständig sicher sein, ob man es mit Blunts musikalischem Seelenstriptease oder dessen brillanten Inszenierung zu tun hat. Am Ende ist man fasziniert aber auch nicht klüger – und so schließt das Album mit der banalen Feststellung des Anrufbeantworters: „You have no more messages“.

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