Apparat – „Krieg Und Frieden (Music For Theatre)“ (Mute)
3,2
Kann man das nicht so stehen lassen? Muss man denn wirklich aus jedem aufgenommenen Ton eine Platte machen? Muss jedes Erlebnis irgendwie festgehalten werden? Nein, muss es nicht. Man sollte ein Konzert einfach Konzert, eine Theateraufführung einfach Theateraufführung sein lassen. Als Ganzes. Und nicht in Einzelteile zerlegt in die Welt entlassen.
„Krieg Und Frieden“ des ansonsten sehr geschätzten Sascha Ring als Apparat ist leider ein solches Teil. Ursprünglich handelte es sich um die Musik zur freien Tolstoi-Interpretation des Theaterregisseurs Sebastian Hartmann bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen und im Centraltheater in Leipzig im vergangenen Jahr. Aber als Platte funktioniert sie nicht, wirkt unfertig, beliebig, halb gar. Die Drones bekommt man von Musikern wie z. B. Stars Of The Lid wesentlich komplexer serviert, die mit klassischem Instrumentarium wie Cello und Geige gespielten Stücke wirken im Vergleich zur Musik von Künstlern des Erased-Tapes-Labels wie ungelenke Fingerübungen. „Krieg Und Frieden“ scheitert besonders in den Momenten, in denen die Inhalte des Theaterstückes in musikalische Emotionen überführt werden sollen. Dann verliert sich Ring geradezu, schichtet nur die Ebenen aufeinander und will Atmosphäre suggerieren, bleibt aber holzschnittartig. Als würde er es nicht aushalten, die einzelnen Elemente einfach mal so stehen zu lassen, sie zur Entfaltung kommen zu lassen und den Zuhörenden zu überlassen, sich das Ganze weiterzudenken, auszumalen. Nein, da muss dann ein nerviger, simpler Beat in der Mitte von „PV“ das Stück unnötig dramatisieren, da muss dann in das dahin schwebende „Tod“ die kreischende Gitarre fahren.
Besser ist die Platte nur in wenigen Momenten. Meist in den verheißungsvollen Intros, wenn die Instrumente ganz lose nebeneinander platziert sind. Oder auch, wenn es zu wirklich überraschenden Wendungen kommt, wie in „K&F Thema“. Da setzt nach 3:08 Minuten das vorher aufgetürmte Glockenspiel-Streicher-Synthie-Gedudel einfach aus und es übernimmt ein leise und wie improvisiert gespieltes Getrommel die restlichen 70 Sekunden. Das folgende „Austerlitz“ ergeht sich dann leider schon wieder im handelsüblichen Postrock-Getöse: noch eine Schicht und noch eine Schicht und noch eine Schicht. Jede für sich genommen durchaus ausbaufähig. Aber dazu kommt es meistens gar nicht, denn etwas anderes muss dem Ganzen dauernd in die Parade fahren.
Gut, weil einfacher, schöner Pop, ist dann auch lediglich das abschließende „A Violent Sky“, das angeblich nur aus übrig gebliebenen Schnipseln der Aufnahmen entstanden sein soll, aus denen Ring einen Song gemacht hat, der die Spannung aufrechterhält. Der einem nicht nahelegt, dass er mehr sein will. In dem das Piano minimalistisch-perkussiv ein schönes Fundament bildet, das sogar das leicht jazzige, aber allzu aufdringliche Schlagzeug aushält. Genau dieses Schlagzeug ist es aber auch, das verhindert, dass aus „A Violent Sky“ eben mehr wird als ein guter Song. Wie großartig könnte er sein, wenn er sich auf das Wesentliche beschränken würde: auf die Kernelemente, in diesem Fall Klavier und Rings Stimme, und ganz wenige Kleinigkeiten am Rande.
Denn das ist das Hauptproblem dieser Platte: Die Ambitioniertheit des Projekts steht den einzelnen guten Ideen im Weg. Die Musik trägt sich in keinem Moment wirklich selbst. Sie bedarf der Bilder der Theateraufführung. Und dann funktioniert sie vielleicht auch. Für sich allein allerdings nicht.
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