Neue Platten: Lilabungalow – "Lilabungalow"

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7,4

Angenommen, man ist mal wieder auf der Suche nach neuer Musik. Irgendetwas poppiges, aber bitte nicht zu anbiedernd und berechenbar, gerne etwas elektronisch und ein bisschen Jazz oder Soul kann auch nicht schaden. Nur nicht schon wieder dieser Songwriter-Kram, mit dem wir schon das ganze Jahr überflutet wurden, auch nichts mit Autotune, Dubstep-Elementen oder unangenehm aufdringlichen Mainstream-Plattitüden. Oftmals ist solch eine Suche vergeblich – besonders, wenn die Euphorie auch noch beim fünften Mal Hören anhalten soll. In den meisten Fällen stößt man lediglich auf ganz nette Songs. Dazugehörige Alben enttäuschen dagegen, wenn überhaupt vorhanden.

Manchmal lohnt sich die Suche aber auch, wie im Falle Lilabungalows. Die Band rund um Sänger sowie Multiinstrumentalist Patrick Föllmer verfolgt dabei immer eine Stilsicherheit, eine seriöse Haltung – verpackt in Smoking würden sie die stocksteifen Bälle, auf denen oberflächliches Blabla und Champagner die Stimmung beherrschen, mit einer eleganten Anarchie versorgen, die man sich in solchen Momenten wünscht und sogar noch in einer gewissen Weise angemessen ist. So würden sie, hätte man sich einmal an die edle Atmosphäre gewöhnt, sich den Aufzug vom Körper reißen und in bunten Strumpfhosen über die Tische springen, um der Veranstaltung den Stock aus dem Arsch zu treten und den Champagner mit einem Schuss Gin zu strecken. Kurz danach schnappen sie sich Melonenhut und Gehstock, legen eine nette Tanzperformance hin und man erwartet mit Spannung, was als nächstes geschieht. Eines behalten sie dennoch in jeder Minute: die Kontrolle über die Musik und Eleganz!

Dieses souveräne Manöver durch die vielfältigen Möglichkeiten des Musizierens ist besonders dem achtjährigen Bestehen und Wachsen des Projekts Lilabungalow sowie dem musikalischen Netzwerk Erfurts zu verdanken, in dem Patrick Föllmer aktiv ist. Ebenfalls nicht zu verachten ist sein vor Kurzem erst beendetes Staatsexamen zum Musiklehrer. Schon früh begann er, Gitarre zu spielen und wünschte sich eine Band. Er begann zu singen, da ein Sänger in der Band fehlte und erlernte alle zwei Jahre ein neues Instrument. So beherrscht er inzwischen neben der Gitarre auch Klavier, Kontrabass sowie Trompete und es verwundert nicht, dass Lilabungalow als Solo-Projekt begann und mit wechselnden Musikern auf verschiedenen Bühnen stand. Zwei feste Bandmitglieder sorgen inzwischen für ein wenig Beständigkeit, was Lilabungalow aber dennoch nicht davon abhält, die Formation gelegentlich zu variieren; so erlebt man sie mal als Quartett, mal als Sextett oder ein anderes Mal als Big Band.

Wenn es einen roten Faden in der Band gibt, ist es vor allem Patrick Föllmers lakonischer Gesang, welcher anfangs noch überzeugen muss und dann schnell an Sympathie gewinnt, indem er sich spielerisch an verschiedenen Genres bedient. Der Opener „Homeflow“ wirkt in seiner loungigen Atmosphäre als sanfter Einstieg in den Lilabungalow-Kosmos, „Fuck You All Re“ wirft dem Hörer groovigen Soul um die Ohren und beginnt die Stimmung aufzuheizen, daraufhin begegnen uns wabernde Synthies („Rider Sports“), treibende Takte („Switzerland“), eine bedächtig-sphärische Stimmung, angeheizt mit einer spürbaren Leidenschaft („Sharp Guy“) und funkig-verspielter Rock, der nicht nur im Sound, sondern auch im verzerrten Gesang an Bonaparte erinnert.

Lilabungalow hat damit die Platte vorgelegt, die wir von Bonaparte dieses Jahr erwartet hätten. Die Erfurter Band nimmt sich selbst nicht zu wichtig, entwickelt die Musik aus dem Moment heraus. Alles begann mit Live-Auftritten und geht besonders in diesen auf. Lilabungalow definieren Musik als Kunst, die sich an vielen Einflüssen bedienen darf, ohne Angst zu haben, die eigene Identität und den eigenen Sound zu verlieren. Wenn also mal wieder jemand nach neuer Musik sucht und nicht genau weiß wonach, dann sollte er sich dieses Album besorgen. Damit kann man nicht viel falsch machen. Es sollte nur nicht erwartet werden, dass die Platte mit cheezy Melodien und virtuosen Kompositionen direkt ins Ohr geht. Die Musik will, dass man ihr zuhört und das nicht nur beim Abwaschen in der Küche.

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