DIIV – "Oshin"

DIIV - OshinVÖ: 29.06.2012
Web: DIIV | Captured Tracks
Label: Captured Tracks

Die Story ist so klischeehaft, dass man sie am liebsten gar nicht erzählen würde. Aber gut, nennt sich eine Band Dive (so hieß das Projekt bis zuletzt, und sogar Versionen das Albumcovers mit dem „alten“ Namen sind im Netz noch zu finden), dann möchte man schon gerne wissen, warum. Vor allem, wenn die Musik klingt, als habe man den shoegazenden Slowdive einfach das „Slow“ gestrichen.

Als der Initiator des Projekts Zachary Cole Smith nach kurzer Zeit das Potenzial zu erkennen glaubte, den ersten Songs eine komplette Band folgen zu lassen, traf er in den Untiefen der Brooklyner Musikszene den Bassisten Devin Ruben Perez und der, ja, der hat offensichtlich einen weg: „He explained exactly what was perfect to me once on an acid trip, but I could not tell you what he said – he wrote me this epic text about how everything lines up and then he called me at 5 a.m. and explained everything. I was groggy, but I remember it definitely involved how the Nirvana song „Dive“ is actually about us. Everybody in the band is a water sign…“ Ein Acid-Trip, Astrologie und ein Nirvana-Song, wirklich? Na super. Fehlt nur noch die unmittelbare interstellare Begegnung mit Mr. Cobain persönlich. Aber gut, blendet man den Hintergrund aus, bleibt ein wirklich schöner Name und der Umstand, dass eine belgische Industrial-Band das Anfang der 90er-Jahre ebenso sah. „I don’t really give a fuck what the band is called. I originated this project in a bedroom with no internet and didn’t know it would ever leave…“ Da man sich nicht mit solch oberflächlichen Belanglosigkeiten wie Namen beschäftigt, wurden Dive respektvoll zu DIIV.

DIIVs impressionistischer Gitarrenpop lädt zum Träumen ein. Direkt der erste Song auf ihrem ersten Album „Oshin“, „(Druun)“, ist ein traumhaftes Abbild ihres Spektrums. Kein perfekt belichtetes Bild, keine kunstvolle Darstellung, eher eine verwaschene Fotografie in Polacolor, die ihre Schönheit durch eine subtile Frugalität erlangt. Ein Bild, dessen Ausdruckskraft nicht an den Inhalt, sondern an der Präsentation ebenjenes Bildes knüpft. L’art pour l’art.

Die Komposition vermittelt den Eindruck eines nachdenklichen Schwelgens im Moment. „Oshin“ ist mal die Leichtigkeit eines frühen Frühlingstages, mal die Kraft eines heißen Sommertages. Mal bringt es herbstliche Melancholie, mal winterliche Kühle. „Oshin“ ist so stark, weil es, während man gedankenvoll zurückblickt, stets den nächsten Moment findet. Weil die Gradwanderung gelingt und es trotz seiner stilistischen Ausgewogenheit genügend Kontrast besitzt. So folgen dem relativ klaren Bild aus dem einführenden „(Druun)“ mit „Past Lives“ und „Human“ zwei stark verwischte Stücke mit 80er-Anleihen, in denen der Gesang kaum wahrnehmbar die Gitarrenebenen umhüllt. Auch das ist Shoegazing. Kurz bevor man jetzt das Gefühl hat, eingelullt zu werden, bringt einen das Bass-Synth-getriebene „Air Conditioning“ mit seinem repetitiven Kraut-Riff wieder zurück auf den Boden.

Und so geht es immer weiter. Stilprägend für das Album sind wie bei diversen Captured-Tracks-Labelmates (beispielweise die Beach Fossils, an denen Smith auch beteiligt ist) und anderen zeitgenössischen Bands die Shoegaze-Anleihen. Erinnert fühlt man sich immer wieder auch an Bradford Cox’ Deerhunter. Wie diese aber sind Smith und Co. zu intelligent, um sich mit dem übertragen des Early-90s-Vibes zufriedenzugeben. Das Songwriting und die Songs strotzen nur so vor klugen Einwürfen aus allen Richtungen. Kraut. Psychedelic. Wave. Auch das Tempo ändert sich immer wieder. Mittendrin wird „(Druun)“ dann noch einmal von einer anderen Seite beleuchtet. Huch, auf einmal hat sich eine Prise „Daydream Nation“ (Anm. d. Red.: ein Sonic-Youth-Album) auf das Album geschlichen. Noise. Punk. Und dann folgt die träumerische Hymne des Albums: „Follow“. Eine spontane Liebe.

Auch beim Einweben der Referenzen gelingt eine Gradwanderung: Niemals wird übertrieben, nichts wird zu sehr ausgereizt. Ganz kleine Brüche im homogenen Raum werden zugelassen oder sind sogar gewollt. Die meiste Zeit raubte wahrscheinlich gar nicht das klassische Songwriting, sondern das Finden des passendes Sounds. Das Potenzial und die Liebe zum Detail aus dem Studio heraus auf ein Album zu bringen, ist eine schwierige Aufgabe. Das Album klingt so gut abgemischt, dass es eine souveräne Leichtigkeit versprüht. Es ist zu befürchten, dass hinter der Leichtigkeit harte, harte Arbeit steckt.

Das ByteFM Album der Woche.

Jeden Tag von Montag bis Freitag spielen wir im ByteFM Magazin zwischen 10 und 12 Uhr einen Song aus unserem Album der Woche. Ebenso im ByteFM Magazin am Nachmittag zwischen 15 und 17 Uhr und im ByteFM Magazin am Abend ab 19 Uhr. Die ausführliche Hörprobe folgt am Freitag ab 13 Uhr in Neuland, der Sendung mit den neuen Platten.

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