Neue Platten: Crocodiles – "Endless Flowers"

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6,0

Die Ramones, die Beach Boys und immer wieder The Jesus And Mary Chain – das sind die Vergleiche, ohne die scheinbar keine Beschreibung des neuen und dritten Studioalbums der Crocodiles auskommt. Und das Album des Sommers (oder sogar des Jahres?!) soll es auch noch sein. Hohe Erwartungen und große Illusionen werden da geschaffen, die offensichtlich nicht nur dem geneigten Hörer, sondern auch der Band selbst auf die Nerven gehen. Nachdem die beiden ersten Alben der Großstadt-Krokodile aus San Diego in Deutschland nur als Import erhältlich waren, haben sich die Musiker, mittlerweile zum Quintett angewachsen, nach Berlin begeben und dort unter der Obhut des Labels Souterrain Transmissions „Endless Flowers“ aufgenommen. Kalifornien, ja, das passt zum Sommerhit-Sound. Und Berlin – war da nicht mal was mit Iggy Pop (eine der großen Inspirationsquellen der Band)?

Aber schon bei den ersten Klängen des ersten Songs wird klar: Etwas völlig Neues, Experimentelles, einen Bruch mit den gängigen Indie-Lo-Fi-Pop-Formeln wird man von den Crocodiles nicht erwarten dürfen – muss man aber vielleicht auch nicht! Eingängige Melodien, ein Refrain zum Mitsingen, die angenehm raue Stimme des Sängers, das ist eindeutig Gitarren-Surf-Pop der schönsten und angenehmsten Sorte. Im Hintergrund bauen schrammelige und manchmal sogar richtig rockige Gitarren und ein extrem treibendes Schlagzeug die in letzter Zeit so häufig beschworene Klangmauer, dazu ein paar Störgeräusche, Geknistere und schon hat man die kratzig-analoge Synth-Pop-Stimmung hergestellt. Und auch „Sunday“ ist mit zuckersüßen Melodien und Gesang und viel Gitarre im Hintergrund tatsächlich ein Sommerhit, dem man gerne am Strand lauschen würde.

„No Black Clouds For Dee Dee“ ist dann ganz eindeutig ein ebenso zuckriges Liebeslied – und zwar für ebenjene Dee Dee, die nicht nur Ehefrau von Crocodiles-Mitglied Brandon Welchez ist, sondern auch Frontfrau der Dum Dum Girls, die sich mit den Krokodilen zumindest die Liebe zu Iggy Pop, das Heimatland Kalifornien und die Genrebezeichnung „sonniger Noise-Pop“ teilen. Eine zurückhaltendere Instrumentierung, dafür mehr Gesang, da klingt das Ganze dann (leider) doch sehr nach den Drums. Die Ähnlichkeit bleibt auch auf „Electric Death Song“ bestehen, einem weiteren astreinen klimperigen Lo-Fi-Stück, voller dichter Gitarren-Sounds und 60s-Klänge.

Dann aber wird alles ein wenig spannender: „Hung Up On A Flower“ mutet wesentlich langsamer und klarer an, für die Verhältnisse des Albums beinahe düster-mysteriös. Und mit „My Surfing Lucifer“ kommt sie doch noch, die Überraschung! Verzerrte Gitarren-Riffs und eine beängstigende Frauenstimme, die auf Deutsch von Augäpfeln, lachenden Mündern und blutigem Zahnfleisch zu uns spricht. Hat man die ersten zwei Minuten überstanden, folgt allerdings ein ziemlich guter Song, die Gitarren klingen elektronischer, mehr Hall und Verzerrung in Instrumentierung und Gesang, vorbei sind die rosa Zuckerwatten-Klänge, weniger gefällig und sogar ein Saxofon klingt im Hintergrund durch. Auch „Dark Alley“ ist eher noisig und rockig als Indie-Pop.

Mit „Bubblegum Trash“ allerdings ist den Crocodiles ein Pop-Song wie aus dem (Alp-)Traum entsprungen; süßlich, klebrig, irgendwie aber auch sympathisch, wie die Band ihre eigene Musik nicht ganz so ernst und auf die Schippe nimmt. Sagen sie doch selbst: Bevor sie sich in die Schublade „ernsthafter Psychrock“ stecken lassen, lieber ehrlichen, notfalls auch belanglosen Bubblegum-Trash. Die beiden letzten Songs fallen dann eher wieder in die Rubrik 60s-Rock, ein paar psychedelische Anklänge, Glockengeläut, „You Are Forgiven“. Naja – dann vergeben wir ihnen dieses ein wenig lahme Ende doch auch.

Und so ist „Endless Flowers“ ein schönes Album; sehr poppig, sehr viel Lo-Fi, schöne Schrammel-Gitarren – also genau das, was man von der Platte des Sommers so will, kalifornische Surf-Musik eben. Dass das Ganze dann aber doch nicht abkippt und zu einem langweiligen Kenn-Ich-Schon-Erlebnis mutiert, dafür sorgen die schlauen Füchse (in diesem Fall Krokodile) mit angenehmen kleinen Überraschungen. So viel Lässigkeit soll durchaus belohnt werden – aber die neuen The Jesus And Mary Chain sind sie dann einfach doch nicht!

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